Jahresgabe

Basalt Shards

Tabet, Samuel

Rayyane Tabet (*1983 in Achkout, lebt und arbeitet in Beirut) untersucht in seinen Arbeiten die Verschränkungen kleiner Geschichten und großer Ereignisse durch Form und Material. Die Ausstellung BRUCHSTÜCKE / FRAGMENTS im Kunstverein in Hamburg führt erstmals alle Arbeiten eines langjährigen Recherche- und Ausstellungsprojekts zusammen. Ausgangspunkt ist eine zufällige Überschneidung der Familiengeschichte des Künstlers mit der Entdeckung des Tempels vom Tell Half durch den deutschen Diplomaten und Orientalisten Max von Oppenheim. 1929 ernannte die Regierung des französischen Mandats in Beirut Tabets Urgroßvater Faek Borkhoche zu Max von Oppenheims Sekretär, um Informationen über dessen Ausgrabungen in der Siedlung am Tell Halaf im heutigen Syrien zu sammeln. Man verdächtigte ihn, einen Putsch gegen die Kolonialmächte vorzubereiten, konnte jedoch keine Belege dafür finden. Tatsächlich interessierte sich von Oppenheim für die archäologischen Hinterlassenschaften am Tell Halaf, seit er dort 1899 zufällig Teile eines Tempels entdeckte. 

1930, nach von Oppenheims Rückkehr nach Berlin eröffnete dieser sein eigenes Tell-Halaf-Museum in einem alten Fabrikgebäude in Charlottenburg, wo ein Teil seiner Funde präsentiert wurde. Während eines nächtlichen Bombenangriffs 1943 wurden das Haus und die meisten Objekte zerstört – darunter auch Artefakte aus Basalt, die in 27.000 Einzelteile zersprangen.

2001 begannen die Restauratoren am Pergamonmuseum, wo die Bruchstücke gelagert sind, mit einem großen Rekonstruktionsprojekt. 25.000 der Fragmente konnten zugeordnet werden. 2.000 geben nach wir vor Rätsel auf.

Während eines Forschungsaufenthalts als DAAD-Stipendiat begleitete Tabet das Projekt und fertigte Radierungen der nicht identifizierten Splitter an. Auf diese Weise zeichnet der Künstler die materiellen Spuren eines verlorenen kulturellen Erbes nach, das womöglich niemals wiedergewonnen werden kann.