Jahresgabe

ZEICHNUNGEN FÜR EIN KLEINES ZIMMER, VOL. II, PAGES 61-62

Wade Guyton

Wade Guyton untersucht in seinen Arbeiten die Materialitäten und Eigenlogiken visueller Reproduktionsverfahren an der Schnittstelle von alten und neuen Medien in der bildenden Kunst. Im Zentrum stehen dabei konkrete Herstellungsprozesse mit dem Tintenstrahldrucker, im Zuge derer am PC erstelltes grafisches Material – ikonisch etwa das „X“ oder das Flammenmotiv – unter bewusster Inkaufnahme von Fehlstellen und Zufällen auf diverse Trägermedien aufgebracht wird. Für seine Zeichnungen verwendet der Künstler meist ausgerissene Seiten von Kunstkatalogen, so dass sich in der Schichtung der Druckebenen neue visuelle und kunsthistorische Bedeutungskonstellationen ergeben. Guytons Jahresgabe für den Kunstverein ist Teil einer 2010 begonnenen Serie, in der er seine „Zeichnungen“ zunächst auf seinem einfarbig gefliesten Küchenfußboden in Stapeln abfotografiert, dann in mit entsprechenden Vinyl-Fliesen ausgelegten Tischvitrinen präsentiert und die Fotografien schließlich als Künstlerbuch publiziert. Die Jahresgabe ergänzt diese Metamorphosen um einen weiteren Schritt, indem ein Einzelblatt herausgelöst und als Edition aufgelegt wird – ein medienreflexives Palimpsest in der Tradition des „Quodlibet“, bei dem man im 17. Jahrhundert Schriftstücke und Grafiken zu täuschend echten Stilllebendarstellungen konstellierte.